Die Erfolgsgeschichte von Viagra
Patrick P.
2013/12/06
Viagra hilft täglich tausenden Männern allein in Deutschland dabei, ihre Erektionsstörungen zu überkommen. Der Erfolg machte es weltweit zum Synonym für Potenzmittel und die Firma Pfizer zu einem der größten Pharmakonzerne unserer Zeit.
Im April 1998 kam eine kleine blaue Pille auf den US-amerikanischen Markt, die seitdem das Sexualleben von Millionen von Paaren veränderte. Seither hilft das unter dem Namen „Viagra“ vertriebene Potenzmittel Männern, die unter erektiler Dysfunktion leiden. Es basiert auf dem Wirkstoff Sildenafil, der unter anderem auch in dem Arzneimittel Revatio zu finden ist.
Wie bei vielen für die Wissenschaft bedeutsamen Entdeckungen, beispielsweise den Röntgenstrahlen oder dem Penicillin, wurde auch die Wirkung des Arzneistoffes Sildenafil eher zufällig entdeckt. 1985 startete die US-Firma Pfizer ein Forschungsprogramm im britischen Sandwich mit dem Ziel, ein Mittel gegen Angina Pectoris zu finden. Die Krankheit äußert sich durch ein plötzliches Engegefühl im Brustbereich und hat Herz-Durchblutungsstörungen zur Folge. Ursprünglich wurde nach einem Hemmer gesucht, der das im Herzmuskel vorkommende Enzym PDE-5 blockiert, welches für die Muskelentspannung zuständig ist. Dabei wurde eine Substanz hergestellt, die Sildenafil getauft wurde. Die anschließenden Versuche am menschlichen Körper konnten allerdings keine befriedigenden Ergebnisse liefern, da die erhoffte durchblutungsfördernde Wirkung nicht lange genug anhielt. Das Mittel war bereits vier Stunden nach Einnahme wieder zur Hälfte abgebaut, dadurch kam ein Einsatz als Arznei gegen Angina Pectoris nicht in Frage.
Zur Überraschung des Forschungsteams bemerkten viele männliche Testpersonen aber eine erfreuliche Nebenwirkung. Schon geringe sexuelle Reizungen hatten sofort eine Erektion zur Folge. Von diesen Beobachtungen ermutigt startete Pfizer eine weitere Forschungsreihe mit über 3000 Testpersonen im Alter zwischen 19 und 87 Jahren. Diese nahmen das Medikament in einem Zeitraum von fünf Jahren regelmäßig ein, am Ende konnte eine signifikante Steigerung der Potenz aller teilnehmenden Männer festgestellt werden. Selbst die Ergebnisse bei Teilnehmern, die an erektiler Dysfunktion (Erektionsstörung) litten, waren durchweg zufriedenstellend.
Erektile Dysfunktion (ED) kann durch verschiedene Ursachen bedingt sein. Häufig haben organische Leiden, wie Diabetes, Bluthochdruck oder eine Verkalkung der blutführenden Gefäße Schuld an Erektionsproblemen, aber auch Stress und übermäßiger Konsum von Alkohol, Nikotin und anderen Drogen können Auslöser sein. Die Einnahme von Sildenafil führt zu einer Verbesserung der Erektionsfähigkeit sowohl bei organischen als auch bei psychischen Erkrankungen. Vor allem Männer ab 40 leiden unter Erektiler Dysfunktion, Schätzungen zu Folge sind rund 50 % mehr oder weniger stark davon betroffen. Abhilfe konnte bis dahin nur die Einnahme von pflanzlichen Mitteln, deren genau Wirkung allerdings umstritten ist und die direkte Injektion von Phentolamin in den Penis verschaffen. Geschichte schrieb 1983 Dr. Giles Brindley, der sich das Mittel auf dem Kongress der American Urological Association vor dem erstaunten Fachpublikum injizierte. Damit war er einer der ersten, der eine Erektion durch Medikamenteneinnahme herbeiführte. Die Methode war jedoch äußerst unangenehm und die resultierende Erektion unkontrolliert.
Genau hier beginnt nun die Erfolgsgeschichte des Sildenafils, das kurz nach Ende der Testreihen den Markennamen Viagra erhielt. Der Name leitet sich vom lateinischen Wort vigor für Stärke und dem Sanskrit-Wort für „Tiger“, vyaghra ab. Vorteile sind zum Einen die Einnahme in Form einer Pille, die weitaus angenehmer ist, als die bisherige Injektion in den Schwellkörper. Zum Anderen setzt die Wirkung erst dann ein, wenn auch eine sexuelle Stimulation stattfindet. Der körpereigene Botenstoff Guanosinmonophosphat (cGMP) ruft dann eine Erschlaffung der glatten Muskeln in den Arterien des Penis hervor, wodurch der Blutzufluss zunimmt und es zu einer Erektion kommt. cGMP wird natürlicherweise vom Enzym Phosphodiesterase (PDE) wieder abgebaut. An dieser Stelle setzt das Viagra ein, indem es das PDE blockiert, wodurch sich cGMP ungestört aufbauen kann. Ein höherer cGMP-Gehalt führt zu einer erhöhten Durchblutung und folglich zu einer länger anhaltenden Erektion.
Im März 1998 wurde das Medikament schließlich durch die amerikanische „Behörde für Lebensmittelsicherheit und Arzneimittelzulassungen“ genehmigt. Seitdem verkauften sich weltweit über 2,5 Milliarden blaue Pillen und halfen Millionen von Männern dabei, ihre Potenzprobleme in den Griff zu bekommen. Als eines von wenigen Medikamenten zählt es zu den „Blockbustern“ also denjenigen Arzneimitteln, die innerhalb eines Jahres über eine Milliarde Dollar umgesetzt haben. Allein im ersten Jahr nach Markteinführung stieg der Gewinn des Konzerns um satte 51 Prozent. In den Folgejahren avancierte man zu einem der größten Pharmakonzernen der Welt und nahm in 2012 sogar die Spitzenposition noch vor dem Konkurrenten Novartis ein.